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Anforderungen an die Abweichung vom Equal-Pay-Anspruch durch Vereinbarung tariflicher Regelungen

(BAG, Urt. v. 16.10.2019 – 4 AZR 66/18)

Der EqualPay-Anspruch nach § 10 IV 1 AÜG aF verpflichtet den Arbeitgeber als Verleiher dazu einem Leiharbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt.

Von diesem Grundsatz der Gleichstellung kann nach § 9 Nr. 2 HS 3 AÜG aF kraft Vereinbarung tariflicher Regelungen zwischen nicht tarifgebundenen Parteien abgewichen werden.

Welche Anforderungen an eine derartige Vereinbarung zu stellen sind hat das BAG nun in seinem Urteil vom 16.10.2019 entschieden, wobei dem Urteil folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Kläger war seit dem Jahre 2013 bei der Beklagten, einem Zeitarbeitsunternehmen, als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien enthielt eine dynamische Bezugnahmeklausel auf die zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeit.

Der Kläger war für den Zeitraum zwischen April 2014 und August 2015 bei einem Entleiher eingesetzt, wobei die für diesen Einsatz vereinbarte Stundenvergütung deutlich von der Höhe des Entgelts abwich, welche die Stammarbeiter des Entleihers erhielten.

Die Klage des Klägers wurde von dem ArbG und dem LAG im Hinblick auf das Begehren der Zahlung der Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem Tarifentgelt der Stammarbeiter des Entleihers abgewiesen.

Die Revision vor dem BAG hatte hingegen Erfolg.

Das BAG entschied insofern, dass eine Abweichung im Sinne des § 9 Nr. 2 HS 3 AÜG aF. nur dann die Anforderungen der Norm erfüllt, wenn für den Entleihzeitraum das zwischen den jeweiligen Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung vollständig erfasst wird.

Weder die punktuelle Vereinbarung einzelner tariflicher Bestimmungen noch die Inbezugnahme von Regelungsbereichen oder –komplexen ist damit ausreichend.

Diese Anforderungen ergäben sich bei Auslegung der Norm.

Zwar ist der Wortlaut der Norm uneindeutig da „Anwendung der tariflichen Regelungen“ sowohl ein gesamtes Tarifwerk als auch einzelne tarifliche Regelungen umfassen kann.

Allerdings ergibt sich aus der Binnensystematik der Norm im Hinblick auf § 9 Nr. 2 HS 2 AÜG aF, dass die vollständige vertragliche Inbezugnahme des jeweiligen Tarifwerkes für die Verdrängung des Gleichstellungsgebotes notwendig ist.

§ 9 Nr. 2 HS 2 AÜG aF erfasst die Abweichung vom equalpay-Gebot durch Tarifverträge im Fall der beiderseitigen Tarifgebundenheit.

Gemäß § 4 I 1 TVG gelten bei beiderseitiger Tarifgebundenheit die gesamten Normen des Tarifwerks der Arbeitnehmerüberlassung; eine Abweichung ist nur unter den Voraussetzungen des § 4 III TVG zulässig.

§ 9 Nr. 2 HS 3 AÜG aF nimmt Bezug auf HS 2, wobei sich aus HS 3 keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass hinsichtlich nicht tarifgebundener Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein geringeres Maß an Tarifanwendung verlangt wird.

Auch der Telos von § 9 Nr. 2 AÜG spricht hierfür:

Die Fassung des AÜG mit Geltung ab 30.04.2011 diente insbesondere der Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung sowie der Umsetzen der Richtlinie 2008/ 104/ EG.

Ein gebotener Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer kann nur hinreichend durch die Geltung oder Anwendung der Tarifverträge gewährleistet werden.

Aus der Gesetzesbegründung der Vorgängervorschrift ergibt sich, dass der Schutz der Leiharbeitnehmer verstärkt werden sollte, sodass auch die Historie der Norm für ein derartiges Verständnis spricht. Zwar wurde auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses der Wortlaut des § 9 Nr. 2 HS 3 AÜG aF um die vertragliche Bezugsnahmemöglichkeit erweitert, allerdings ergibt sich hieraus nicht zugleich, dass im Hinblick auf den Umfang der vertraglichen Inbezugnahme tariflicher Bestimmungen geringere Anforderungen zu stellen wären als im ursprünglich vorgesehenen Fall beiderseitiger Tarifgebundenheit.

Im konkretem Fall wurde von der vertraglichen Vereinbarung tariflicher Regelungen das von den Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung nicht vollständig erfasst, sodass eine wirksame Abweichung gemäß 9 Nr. 2 HS. 3 AÜG aF vom EqualPay-Gebot nach § 10 IV 1 AÜG aF nicht vorlag.

Karsten Klug
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Hamburg