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Darf das Inkrafttreten einer Betriebsvereinbarung von einem Belegschaftsquorum abhängig gemacht werden?

Dies hatte das BAG (Beschl. v. 28.07.2020 – 1 ABR 4/19) zuletzt zu entscheiden. Die Betriebsparteien stritten dabei über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung, die für ihr Inkrafttreten der Bedingung unterliegt, dass 80 % der abgegebenen Stimmen der betroffenen Arbeitnehmer bis zum Ablauf einer bestimmten Frist der Betriebsvereinbarung einzelvertraglich schriftlich zugestimmt haben müssen. Konkret sollte die Betriebsvereinbarung mit dem Erreichen des Mindestquorums für alle Mitarbeiter in Kraft treten. Im Falle eines Unterschreitens der Zustimmungsquote könnte das Unternehmen die Betriebsvereinbarung für diejenigen Mitarbeiter, die ihr zugestimmt haben, dennoch wirksam werden lassen.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich bei der streitigen Vereinbarung zwar um eine Betriebsvereinbarung i.S.d. § 77 BetrVG handelte. In den Schlussbestimmungen jedoch, die die Betriebsvereinbarung an die Bedingung an ein Quorum vertraglicher Zustimmungen der Normunterworfenen knüpften, überschritten die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz. Die Konsequenz war die gesamte Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung, weil die Wirkung des Inhalts gerade von der betroffenen Bestimmung abhängig gemacht wurde.

Arbeitgeber und Betriebsräte haben stets die zwingenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten. So ist es ihnen beispielsweise verwehrt, eine Betriebsvereinbarung an eine Suspensiv-Bedingung, also den Eintritt einer gewissen Situation zu binden. Grundsätzlich ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht von vornherein bedingungsfeindlich (zB. BAG v 15.01.2002 – 1 AZR 165/01 oder BAG v 17.06.2003 – 3 ABR 43/02). Voraussetzung ist aber, dass der Eintritt der Bedingung für alle Beteiligten ohne Weiteres feststellbar ist. Dies vermochte die Betriebsvereinbarung im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu erfüllen. § 77 IV 1 BetrVG enthält einen Normwirkungsbefehl, der unabdingbar ist. Die Bedingung des Erreichens einer bestimmten Zustimmungsquote der Normunterworfenen verstößt damit gegen die normative Geltungsanordnung für Betriebsvereinbarungen.

Fazit:
Der Betriebsrat fungiert als Repräsentant der Belegschaft. Dies basiert auf den regelmäßigen demokratischen Wahlen durch die Beschäftigten des Betriebes. Es würde dem betriebsverfassungsrechtlichen Strukturprinzip widersprechen, Betriebsvereinbarungen nicht unmittelbar und zwingend gelten zu lassen. Müsste die Belegschaft ein weiteres Mal ihre Zustimmung zur normativen Wirkung einer Betriebsvereinbarung erteilen, wäre die Legitimation zur betrieblichen Rechtssetzung durch die Betriebsparteien obsolet.

Karsten Klug
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg