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Kindesunterhalt und Vertretungsbefugnis bei nicht verheirateten Eltern

In der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Unterhaltsstreitigkeiten bei nicht miteinander verheirateten Eltern gibt es einige bemerkenswerte Veränderungen. Insbesondere im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der Eltern bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt für minderjährige Kinder, die von den Eltern im Wechselmodell betreut werden, hat der BGH neue Maßstäbe gesetzt.

1. Grundsatz: Vertretungsbefugnis des Obhutselternteils

Wenn das Kind in der alleinigen Obhut eines  Elternteils ist, steht diesem Elternteil auch das Recht zu, das Kind bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt zu vertreten, sofern die Eltern zuvor nicht verheiratet waren. Bei verheirateten Eltern können beide Elternteile den Unterhalt im eigenen Namen geltend machen gem. § 1629 Abs. 3 BGB.  

Die wesentliche Frage, die sich in der Praxis stellte, betraf Fälle, in denen das Kind unverheirateter Eltern im Wechselmodell lebt, d.h., beide Elternteile betreuen das Kind zu gleichen Teilen. Hier hat der BGH eine grundlegende Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung vorgenommen.

2. Neue BGH-Rechtsprechung: Vertretungsbefugnis beider Elternteile im Wechselmodell

Bis vor Kurzem galt, dass im Wechselmodell eine gerichtliche Entscheidung über die Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils für die Unterhaltsfrage nach § 1628 BGB erforderlich war, oder ein Ergänzungspfleger bestellt werden musste, um Konflikte zwischen den Eltern zu vermeiden. Der BGH hat nun entschieden, dass dies nicht mehr notwendig ist. Stattdessen dürfen beide Elternteile das Kind jeweils allein vertreten, wenn es um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem anderen Elternteil geht.

Dies stellt eine deutliche Vereinfachung des Verfahrens dar und entlastet die Eltern von der Notwendigkeit, zusätzliche Anträge zu stellen oder der Bestellung eines Ergänzungspflegers.

3. Risiken eines Interessenkonflikts?

Nicht verkannt hat der BGH bei seiner Entscheidung, dass eine verfahrensrechtliche Konstellation entstehen kann, in welcher das Kind als Antragsteller jeweils vertreten durch einen Elternteil Unterhaltsansprüche gegenüber dem jeweils anderen Elternteil geltend macht. Der BGH geht jedoch davon aus, dass diese Konstellation verfahrensrechtlich unbedenklich sei, da die Eltern im Hinblick auf den Unterhalt jeweils als Teilschuldner (§ 1606 BGB) haften und es sich somit um jeweils verschiedene Verfahrensgegenstände handle. Zudem könne die Angelegenheit so einer abschließenden Klärung zugeführt werden. Dies sei verfahrensökonomisch.

Ein potenzieller Interessenkonflikt kann sich jedoch auch ergeben, wenn der Elternteil, der das Kind vertritt, gleichzeitig selbst unterhaltspflichtig ist. Denn die Unterhaltspflicht der Höhe nach steht regelmäßig in Abhängigkeit zu der Höhe des zu erstreitenden Kindesunterhalts. Auch hier sieht der BGH keine erheblichen Bedenken. Diese Konstellation unterscheide sich nicht wesentlich von Fällen, in welchen der Obhutselternteil den Kindesunterhaltsanspruch für das Kind geltend macht. Auch in dieser Konstellation kann die Höhe des Kindesunterhalts die Höhe einer etwaigen weiteren Pflicht zur Zahlung von etwa Trennungs- oder Ehegattenunterhaltsanspruchs beeinflussen.

In Ausnahmefällen könnte, so der BGH weiter, die Vertretungsbefugnis einem Elternteil entzogen werden, wenn ein erheblicher Interessenkonflikt besteht. Hierfür müssten dann deutliche Anzeichen bestehen.

4. Fazit: Vereinfachte Verfahren und weniger Bürokratie

Die neue Rechtsprechung des BGH stellt eine erhebliche Erleichterung für Eltern dar, die sich im Wechselmodell um ihre Kinder kümmern und gleichzeitig mit Unterhaltsfragen konfrontiert sind. Durch die Anerkennung der Vertretungsbefugnis beider Elternteile wird der gerichtliche Prozess effizienter gestaltet und die Notwendigkeit für ergänzende Verfahren reduziert.

Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich diese neue Praxis in der Rechtsprechung entwickeln wird, insbesondere in Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte und deren Handhabung durch die Gerichte.

FAQ

Wer ist Antragsteller bei Kindesunterhalt?

Antragsteller im Unterhaltsverfahren ist grundsätzlich das Kind, das durch den vertretungsbefugten Elternteil handelt. Im Fall von minderjährigen Kindern übernimmt der sorgeberechtigte Elternteil die Rolle des Antragstellers im Namen des Kindes. Bei volljährigen Kindern tritt das Kind selbst als Antragsteller auf.

Wer ist vertretungsbefugt, wenn das Kind bei einem Elternteil lebt?

Wenn das Kind in der alleinigen Obhut eines Elternteils lebt, ist dieser Elternteil alleine vertretungsbefugt und kann den Kindesunterhalt geltend machen. Dies gilt unabhängig vom Familienstand der Eltern.

Wie wird der Kindesunterhalt bei einem Wechselmodell berechnet?

Im Wechselmodell werden beide Elternteile anteilig zur Zahlung des Kindesunterhalts verpflichtet, basierend auf ihren jeweiligen Einkommensverhältnissen. Beide Eltern können den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den anderen geltend machen. Da die Berechnung von Kindesunterhalt im Wechselmodell kompliziert sein kann und in Abhängigkeit zur aktuellen Rechtsprechung steht, lassen Sie sich hierzu unbedingt anwaltlich beraten.

Wird ein Ergänzungspfleger benötigt zur Geltendmachung von Unterhalt im Wechselmodell bei unverheirateten Eltern?

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist im Wechselmodell die Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht mehr notwendig. Beide (unverheirateten) Elternteile sind vertretungsberechtigt, auch wenn sie sich nicht einig sind. Nur bei schwerwiegenden Interessenkonflikten könnte die Vertretungsbefugnis einem Elternteil entzogen werden.