kanzlei@elblaw.de

+49 (0) 40 411 89 38-0

Mo-Do 8.30-17.00 Uhr / Fr 8.30-16.00 Uhr

Was umfasst die elterliche Sorge?

In unserer Mandatsbearbeitung kommt häufig die Frage danach auf, welche Teilbereiche nun eigentlich von der elterlichen Sorge umfasst sind und welche nicht. Oder anders formuliert: Was dürfen Elternteile alleine entscheiden und wozu benötigen sie die Zustimmung des anderen Elternteils bei gemeinsam ausgeübter elterlicher Sorge?

Gesetzliche Grundlagen und Begriffsbestimmung

Für die Begriffsbestimmung der elterlichen Sorge hilft zunächst ein Blick ins Gesetz:

Gemäß § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB haben Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Nach § 1626 Abs. 1 S.2 BGB umfasst die elterliche Sorge die Sorge für die Person des Kindes (sog. Personensorge) und das Vermögen des Kindes (sog. Vermögenssorge).

Die elterliche Sorge wird von Gesetzes wegen als dem Interesse des Kindes dienendes Schutzinstitut bzw. Schutzverhältnis verstanden. Sie beinhaltet Schutz- und Fürsorgeaspekte gegenüber dem minderjährigen Kind gleichermaßen. Die elterliche Sorge begründet jedoch auch Rechte für die Eltern des Kindes. Denn sie wird als sog. subjektives Recht eines jeden Elternteils – und damit auch gegenüber dem jeweils anderen Elternteil verstanden.

Es handelt sich damit bei dem Begriff der elterlichen Sorge um ein ausgewogenes rechtliches Konstrukt gegenseitiger Rechte und Pflichten (sog. Pflichtrecht) welches unter dem besonderen Schutz der Verfassung über Art. 6 GG steht. Es ist wegen seines besonderen Pflichtgehalts auch ein sog. unverzichtbares Recht. Das bedeutet, dass ein Elternteil weder auf das Recht der elterlichen Sorge verzichten kann – denn sonst würde das Schutzinteresse des Kindes ins Leere laufen – noch kann das elterliche Sorgerecht vererbt oder auf eine dritte Person übertragen werden.  Eine Ausnahme bildet hier die sog. Sorgevollmacht.

Inhaber der elterlichen Sorge

Nach dem Gesetzeswortlaut haben nicht beide Elternteile eines Kindes automatisch die elterliche Sorge gemeinsam inne.  Vielmehr unterscheidet das Gesetz zwischen bei Geburt des Kindes verheirateten und nicht verheirateten Eltern.

Verheirateten Eltern ist die gemeinsame Sorge von Geburt an übertragen (§ 1626 Abs. 1 S. 1 BGB). Heiraten die Eltern erst später, steht ihnen die gemeinsame Sorge ab dem Tag der Eheschließung gemeinsam zu (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Das Sorgerecht wird auch dann gemeinsam ausgeübt, wenn der Ehemann gar nicht der leibliche Vater des Kindes ist, sofern keine rechtliche Vaterschaft zu dem leiblichen Vater des Kindes besteht.

Gemäß § 1626a Abs. 1 BGB können nicht miteinander verheiratete Eltern das Sorgerecht nur gemeinsam ausüben, wenn sie entweder erklären (z.B. durch Beurkundung beim Jugendamt oder beim Notar), die Sorge gemeinsam ausüben zu wollen (sog. Sorgeerklärung), wenn sie heiraten (s.o.) oder soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt. Dies ist etwa dann notwendig, wenn die Kindesmutter sich nicht dazu bereit erklärt, eine gemeinsame Sorgeerklärung mit dem Kindesvater abgeben zu wollen. Hierzu muss ein Antrag beim zuständigen Familiengericht gestellt werden. Diesem wird das Familiengericht stattgeben, wenn keine Gründe bestehen, die der Übertragung der gemeinsamen Sorge entgegenstehen können. Grundsätzlich wird zunächst vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.  

Teilbereiche der elterlichen Sorge

Viele wissen, dass die elterliche Sorge in Teilbereiche aufgeteilt werden kann. Dies geht bereits aus dem Gesetzeswortlaut hervor und wurde durch eine diffizile Rechtsprechung über die Jahre immer weiter konkretisiert. Für Entscheidungen hinsichtlich der Teilbereiche der elterlichen Sorge bedarf es in der Regel der Zustimmung des anderen Elternteils. Nicht zustimmungspflichtig sind sog. Entscheidungen des täglichen Lebens. Diese darf jeder sorgeberechtigte Elternteil selbst treffen, ohne dafür Rücksprache mit dem anderen sorgeberechtigten Elternteil halten zu müssen.

Die wichtigsten Teilbereiche der elterlichen Sorge finden Erwähnung in verschiedenen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Hierzu zählen:

Die Pflege des Kindes1631 Abs. 1 BGB), seine Erziehung (§ 1631 Abs. 1 BGB), seine Beaufsichtigung (§ 1631 Abs. 1 BGB) und die Aufenthaltsbestimmung (§ 1631 Abs. 1 BGB). Das Aufenthaltsbestimmungsrecht stellt einen besonders weitgehenden rechtlichen Teilbereich der elterlichen Sorge dar. Er umfasst nicht nur das Recht zur Bestimmung des Lebensmittelpunktes des Kindes, sondern bezieht sich etwa auch auf Urlaubsreisen. Hierbei ist zu beachten, dass Reisen ins europäische Ausland in der Regel jedoch nicht zustimmungspflichtig sind. Man geht davon aus, dass diese Entscheidungen des täglichen Lebens sind und nicht die Zustimmung des anderen Elternteils bedürfen. Anders sieht dies bei Auslandsreisen aus, die als „gefährliche“ Auslandsreisen einzustufen sind. Hierzu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung unter Beachtung des jeweiligen Einzelfalls.

In geringerem Eingriffsumfang gehört auch gem. § 1631a BGB die Ausbildungs- und Berufswahl dazu – hier wird dem Kind jedoch ein umfangreiches Mitbestimmungsrecht eingeräumt.

Darüber hinaus sind umfasst die mit Freiheitsentzug verbundene Unterbringungen (§ 1631b BGB), der Herausgabeanspruch gegenüber Dritten (§ 1632 Abs. 1 BGB) sowie die Bestimmung des Umgangs mit anderen Personen (§ 1631 Abs. 2 BGB). Hierunter fallen auch die Besuchskontakte mit anderen Familienmitgliedern, wie Großeltern, Tanten, Onkel usw.

Einen besonders weitreichenden Teil der elterlichen Sorge stellt die sog. Personensorge dar (vgl. § 1626 Abs. 1 S.2 BGB). Hierunter werden Angelegenheiten der Pflege und der Erziehung gefasst, aber auch Entscheidungen betreffend die Schul- und Berufsausbildung.

Enormes Streitpotenzial bietet in der Regel auch das Recht der Gesundheitssorge. Darunter fallen etwa auch Impfentscheidungen oder die Frage der Zustimmung zu anderen gesundheitsrelevanten Eingriffen bei dem betreffenden Kind, wie etwa Operationen oder andere Behandlungsmethoden. Auch die religiöse Erziehung ist Teil der Personensorge und stellt damit einen Teilbereich der elterlichen Sorge dar.

Einen besonders exponierten Teil der elterlichen Sorge stellt auch die sog. Vermögenssorge dar (vgl. § 1626 Abs. 1 S.2 BGB). Bei ihr steht im Mittelpunkt die Verpflichtung des Elternteils zur Erhaltung und Vermehrung des Kindervermögens. Umfasst sind alle tatsächlichen, aber auch rechtlichen Handlungen, die der Erhaltung, Vermehrung und Verwertung des Kindervermögens dienen. Was viele nicht wissen: Einkünfte aus bestehendem Vermögen – nicht jedoch dessen Substanz – können nach Abzug bestehender Verwaltungskosten sogar für den Kindesunterhalt verwendet werden.

Fazit und Empfehlungen

Im Einzelnen können die Inhaber der elterlichen Sorge vortrefflich darüber streiten, über welche Entscheidungen die Elternteile – insbesondere, wenn sie getrennt leben – sich jeweils informieren müssen. Häufig ist etwa bei Streitigkeiten über Schulanmeldungen oder Impfentscheidungen sogar das Familiengericht anzurufen. Dies kann auch hinsichtlich bestimmter, genau umgrenzter Teilbereiche die Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil übertragen. Zur Not und bei besonderer Eilbedürftigkeit auch im Wege der einstweiligen Anordnung. Kontaktieren Sie uns bei Beratungsbedarf hierzu gerne.